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Sicherheits- und Warnhinweise mit der SAFE-Methode erstellen

Nutzen und Grenzen eines etablierten Vorgehens.

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Sicherheits- und Warnhinweise mit der SAFE-Methode erstellen

Sicherheits- und Warnhinweise sind ein zentraler Aspekt in der Welt der Technischen Dokumentation.
Die Frage nach ihrer korrekten Verwendung ist ein echter Dauerbrenner und wird nach wie vor heiß diskutiert – nicht nur unter Technischen Redakteurinnen und Redakteuren. In unserem Redaktionsalltag stoßen wir bei den Herstellern oft auf dieselben Unsicherheiten: Wie baue ich einen Hinweis richtig auf? Welche Vorgaben gibt es zur Gestaltung und wie platziere ich die Hinweise am besten in der Anleitung?
Wir haben die wesentlichen Punkte für Sie zusammengefasst und erklären in unserem Beitrag, worauf es ankommt.

 

Ein kleiner Exkurs: Warum sind sicherheitsbezogene Informationen in der Technischen Dokumentation so wichtig?

Maschinensicherheit ist die Basis für eine sichere Zusammenarbeit von Mensch und Maschine.
Für die Hersteller bedeutet das: Sie müssen ihre Maschinen und Anlagen so sicher konstruieren wie möglich, d. h., das von ihnen ausgehende Gesundheits- und Unfallrisiko muss konstruktiv oder durch Schutzmaßnahmen minimiert werden. Nicht immer ist das zu 100 % möglich – dann bleiben auch nach dem Ausschöpfen aller konstruktiven Möglichkeiten unvermeidbare Restrisiken bestehen. Das sind dann solche Risiken, die sich allein durch den erwartbaren und bestimmungsgemäßen Gebrauch des Produkts ergeben und aus diesem Grund nicht einfach „wegkonstruiert“ werden können.
An dieser Stelle kommt die gesetzlich vorgeschriebene Instruktionspflicht ins Spiel. Sie besagt: Die Hersteller müssen solche unvermeidbaren Gefährdungen in Form von sicherheitsbezogenen Informationen in der Technischen Dokumentation zu einem Produkt klar benennen und die erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung der Gefahr im Detail beschreiben.

 

Welche sicherheitsbezogenen Informationen gibt es?

Jeder kennt sie: Sicherheits- und Warnhinweise – z. B. in der Anleitung zu einem Produkt oder auf dem Produkt selbst. Häufig werden beide Bezeichnungen synonym verwendet, auch wenn das streng genommen nicht ganz richtig ist. Wo liegen die Unterschiede?
Die Antwort finden wir in einer der Grundnormen der Technischen Dokumentation – der DIN EN IEC/IEEE 82079-1:2021-09. Sie unterscheidet die folgenden drei Arten von sicherheitsbezogenen Informationen:

Sicherheitshinweise
Sicherheitshinweise müssen am Anfang der Anleitung in einem separaten Abschnitt wie z. B. dem Sicherheitskapitel angegeben werden. Sie sollen den sicherheitsgerechten Umgang mit dem Produkt grundlegend erklären und ein generelles Sicherheitsbewusstsein für mögliche Gefahren schaffen.
Es bietet sich an, die unterschiedliche Arten von Gefährdungen für mehr Übersichtlichkeit und erleichterten Zugang thematisch zu sortieren.

Warnhinweise
Im Gegensatz zu Sicherheitshinweisen werden Warnhinweise direkt in dem Kontext genannt, in dem die Gefährdung auftritt. Meist passiert das direkt vor oder innerhalb von Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Im letzteren Fall ist die Verwendung von sogenannten eingebetteten Warnhinweisen sinnvoll – doch dazu später mehr.

Sicherheitszeichen und Produktsicherheitslabel
Sicherheitsbezogene Informationen können auch direkt auf dem Produkt angebracht sein, z. B. in Form von Produktlabeln.
Hier ist wichtig: Die Sicherheitsinformationen und -zeichen auf dem Produkt dürfen nicht den Angaben in der zugehörigen Anleitung widersprechen. Für den Fall, dass ein Label auch Text enthält, sollte dieser in der Sprache des Ziellandes verfasst sein.

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Wie kann ich einen Hinweis normgerecht aufbauen?

Wenn es um den Aufbau und die Gestaltung von Sicherheits- und Warnhinweisen geht, richten sich viele Hersteller nach der Norm ANSI Z535.6. Dabei handelt es sich zwar um eine US-Norm, ihre Vorgaben sind aber international anerkannt und etabliert. So wurden z. B. einige Vorgaben in Form der DIN EN 82079-1 auch für den deutsch-europäischen Markt übernommen.
Für das systematische Erstellen von Hinweisen hat sich in der Praxis die sogenannte SAFE-Methode etabliert. Wer sich an dieser Methode orientiert, kann die wichtigsten Elemente eines Sicherheits- oder Warnhinweises in vier definierten Schritten herleiten.

S = Signalwort und Symbol festlegen

Signalwort

Das Signalwort gibt die Schwere der Gefährdung an. Die DIN EN 82079-1 definiert vier Signalwörter und den zugehörigen Gefährdungsgrad wie folgt:

Signalwörter_2

  • GEFAHR bezeichnet eine unmittelbar bevorstehende Gefährdungssituation. Wenn diese nicht vermieden wird, sind Tod oder schwerste Verletzungen die Folge.
  • WARNUNG bezeichnet eine möglicherweise bevorstehende Gefährdungssituation. Wenn diese nicht vermieden wird, sind ebenfalls Tod oder schwerste Verletzungen die Folge.
  • VORSICHT bezeichnet eine mögliche Gefährdungssituation, die – wenn sie nicht vermieden wird – eine geringfügige oder mäßige Verletzung zur Folge haben kann.
  • HINWEIS oder auch ACHTUNG bezeichnen eine Situation, die zu Sachschäden am Produkt oder anderem Eigentum führen kann, wenn sie nicht gemieden wird. An dieser Stelle eine zusätzliche Empfehlung: Risiken für Sachschäden sollten nicht mit Verletzungsrisiken zusammen in einem Hinweis aufgeführt werden. In so einem Fall ist es ratsam, jeweils einen eigenen Hinweis für den Personen- und den Sachschaden zu erstellen.

Symbol
Das Gefahrensymbol – oder genauer gesagt das Warnzeichen – dient dazu, den Hinweis hervorzuheben und die Art der Gefährdung zu präzisieren. Die Gestaltungsgrundlagen für die Warnzeichen und die zugehörigen Piktogramme sind in der Normenreihe DIN ISO 3864 sowie der Norm ISO 7010 definiert.
Sie sind unsicher, welches Piktogramm das richtige ist, um eine bestimmte Gefahrensituation angemessen zu kennzeichnen? In solchen Fällen gilt folgende Grundregel: Verwenden Sie das Piktogramm mit einem schwarzen Ausrufezeichen in der Mitte. Damit heben Sie eindeutig hervor, dass in der beschriebenen Situation eine Verletzungsgefahr besteht.
Zudem gilt: Hinweise auf Sachschäden dürfen kein dreieckiges Gefahrenpiktogramm enthalten, da diese nur im Zusammenhang mit Personenschäden verwendet werden dürfen.

Sicherheitszeichen_3

A = Art und Quelle der Gefahr festlegen

Beschreiben Sie hier kurz und prägnant den Ursprung der Gefahr.
Beispiel: „Verbrennungsgefahr durch heiße Oberflächen“

F = Folgen bei Missachtung festlegen

Hier werden die Konsequenzen benannt, die bei Nichtbeachtung des Hinweises eintreten können.
Beispiel: „Schwere Körperverletzung“

E = Entkommen (Maßnahmen zur Vermeidung der Gefahr) festlegen

Erläutern Sie an dieser Stelle, welche Maßnahmen und Tätigkeiten erforderlich sind, um den zuvor genannten Gefahren möglichst effektiv vorzubeugen.
Beispiel: „Hitzebeständige Schutzhandschuhe tragen.“

 

Die SAFE-Bausteine zu einem Hinweis zusammenfügen

Dank der SAFE-Methode haben wir die Inhalte für unseren Beispielhinweis unkompliziert festlegen können. Wie fügen wir diese einzelnen Inhaltsbausteine nun zu einem übersichtlichen Hinweis zusammen? Aus den zuvor genannten Normen lässt sich kein eindeutig festgelegtes Vorgehen ableiten, um die einzelnen Elemente in spezieller Weise anzuordnen, hervorzuheben und zu gestalten. Grundsätzlich ist aber wichtig:
Die Gestaltung von Sicherheits- und Warnhinweisen muss konsistent sein, d. h., alle Hinweise in einer Anleitung müssen eindeutig als solche erkennbar sein (DIN EN 82079, Kapitel 7.11.5.2).

Das folgende Beispiel zeigt eine praxisbewährte Gestaltung eines Sicherheitshinweises.

Hinweis_4

 

Richtig warnen im Kontext: Eingebettete Warnhinweise

Wie bereits angedeutet, handelt es sich bei eingebetteten Warnhinweisen um solche Hinweise, die direkt innerhalb einer Schritt-für-Schritt-Anweisung platziert werden. Sinn und Zweck dieser Hinweise ist es, möglichst prägnant und im richtigen Kontext auf eine bevorstehende Gefahrensituation hinzuweisen. Zur Gestaltung von eingebetteten Warnhinweisen gilt gemäß ANSI Z535.6 die folgende Empfehlung: Im Gegensatz zu den Sicherheitshinweisen am Anfang einer Anleitung sollten Sie hier auf gestalterische Hervorhebungen wie Kästen oder Linien verzichten. Anderenfalls wird der Hinweis optisch vom umgebenden Text abgegrenzt, was dazu führen kann, dass die Leser den Hinweiskasten einfach überspringen. Orientieren Sie sich stattdessen besser an der Formatierung der Handlungssequenz, in die der Hinweis eingebettet wird.
In Verbindung mit dem obligatorischen Warnzeichen hilft dann schon eine kleinere Anpassung des Standardtexts (z. B. durch Fettschreibung), um die Aufmerksamkeitswirkung des Hinweises zu erhöhen, ohne dabei den Lesefluss zu unterbrechen.
Wie wird ein eingebetteter Hinweis nun konkret aufgebaut?
Hier kommt wieder die bewährte SAFE-Methode zum Einsatz – allerdings mit einer kleinen Besonderheit, wenn Sie die Maßnahme zur Gefahrenabwehr beschreiben (E = Entkommen):
Wie das folgende Beispiel zeigt, ist die Maßnahme kein Bestandteil des Hinweises selbst, sondern wird als eigenständiger Handlungsschritt darunter platziert.

Eingebetteter Warnhinweis_2

 

Wie sollten Hinweise formuliert sein?

Auf die richtige Sprache und Formulierung kommt es an: Was generell für die Technische Dokumentation gilt, muss logischerweise auch bei der Erstellung von Sicherheits- und Warnhinweisen beachtet werden.
Wir haben die zentralen Formulierungs- und Sprachregeln im Bereich der Technikkommunikation noch einmal für Sie zusammengefasst:

  • Einfacher Satzbau, einfache Formulierungen
    Verwenden Sie klare und eindeutige Formulierungen, aus denen unmissverständlich und leicht nachvollziehbar hervorgeht, wo eine Gefahr lauert.
  • Logische Reihenfolge beachten
    Bringen Sie Funktionszusammenhänge und Abläufe in eine logische Reihenfolge, um das Ursache-Wirkung-Prinzip einer Gefahrensituation korrekt darzustellen.
  • Aktivisch formulieren
    „Der Schalter muss betätigt werden.“ Bei passiven Formulierungen wie dieser bleibt die handelnde Person uneindeutig. Vermeiden Sie solche Unklarheiten und formulieren Sie stattdessen aktiv, um den Leser klar und eindeutig zu einer Handlung aufzufordern.
  • Standardisieren
    Satzbau, Formulierungsmuster und Terminologie: Sprachliche Konsistenz hilft den Lesern dabei, die wesentlichen Informationen schneller zu erfassen und Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.
  • Substantivierungen vermeiden
    Unnötige Substantivierungen blähen Texte auf und machen sie schwer verständlich. Wir empfehlen: Verzichten Sie möglichst auf sogenannte Funktionsverbgefüge („Einstellung vornehmen“) und verwenden Sie ausschließlich das entsprechende Verb („einstellen“).

 

Viel hilft viel? Warnen Sie lieber mit Bedacht

Eine Frage zum Thema Sicherheits- und Warnhinweise wird uns immer wieder gestellt:
Wie viele Hinweise gehören in eine gute Anleitung? In vielen Technikredaktionen galt lange Zeit der Grundsatz: Besser einmal mehr als einmal zu wenig warnen – frei nach dem Motto „je mehr Warnhinweise, desto mehr Sicherheit“. Für die Leser einer Anleitung geht diese Rechnung leider nicht auf. Im schlimmsten Fall ist so ein Vorgehen sogar kontraproduktiv und wichtige Informationen werden in der Flut an Warnhinweisen einfach überlesen.
In den USA spricht man in diesem Zusammenhang mittlerweile von dem Effekt einer „warning pollution“.
Die Dokumentationsbranche ist daher seit einigen Jahren wieder verstärkt darauf bedacht, mit Vernunft und System zu warnen. Für Redakteurinnen und Redakteure bedeutetet das: Besser verständlich und präzise anleiten und nur dort warnen, wo es wirklich nötig ist, weil z. B. der Nutzer in dieser Situation nicht mit einer Gefahr rechnet oder die Gefahr nicht kennt.
Dabei ist es natürlich wichtig, die Vorkenntnisse der Zielgruppe zu kennen und zu berücksichtigen. Einer qualifizierten Elektrofachkraft wird es definitiv nicht weiterhelfen, wenn in jedem zweiten Handlungsschritt vor den Gefahren eines Stromschlags gewarnt wird.
In diesem Fall ist es sinnvoll, die Anzahl der Warnhinweise auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren und den Lesefluss nicht unnötig zu stören.

 

Die Grenzen der SAFE-Methode – eine Einordnung

In vier simplen Schritten zum perfekten Warnhinweis dank SAFE? Sie vermuten es sicher schon:
Ganz so leicht können wir es uns nicht machen. Die Frage lautet also: Wo genau liegen Nutzen und Grenzen des SAFE-Konzepts im Redaktionsalltag? Bringen wir etwas Ordnung in die Angelegenheit:

SAFE: Der Spickzettel im Kopf
Ein Vorteil lässt sich dem SAFE-Konzept in jedem Fall zugutehalten: Sie können es hervorragend als Eselsbrücke benutzen, um die vier wesentlichen Bestandteile eines Warnhinweises (Signalwort, Art der Gefahr, mögliche Folgen, Entkommen) zuverlässig zu erfassen – ganz im Sinne einer Checkliste, die man abhakt, um nichts Wichtiges zu vergessen, und die dabei hilft, Ihr Team für einen sorgfältigen Umgang mit der Hinweisthematik zu sensibilisieren.
Und darüber hinaus?
Wie bei anderen formelhaften Techniken und Merkhilfen in der Doku-Welt gilt auch hier:
Ein starrer Formalismus allein schafft noch keinen Informationsmehrwert für die Leser einer Anleitung. Wie immer kommt es auf den Inhalt an. Die Kunst besteht darin, diesen Inhalt in der erforderlichen Tiefe zu recherchieren und didaktisch so aufzubereiten, dass die Zielgruppe in einer Gefahrensituation sicher agieren kann. Das heißt auch:
Der formale Aufbau eines Warnhinweises muss zum Inhalt passen. Nicht immer ist dazu eine Gestaltung nach dem SAFE-Prinzip ideal. Je nach Produkt, Zielgruppe und Kontext können alternative Darstellungsformen – wie z. B. strukturierter Fließtext – besser funktionieren. Das zeigt sich nicht zuletzt beim Einsatz von Bildern. Die sagen bekanntlich mehr als tausend Worte und können eine bestimmte Gefahrensituation oft viel besser veranschaulichen als bloßer Text. Dieser Aspekt wird bei der SAFE-Methode aber gar nicht berücksichtigt und folglich in der Praxis zu schnell vernachlässigt, wenn man dieser Methode strikt folgt.
Hinzu kommt: Das SAFE-Prinzip ist eng gebunden an die klassische Print-Dokumentation. Moderne Informationslösungen wie etwa Animationen, Videos oder Augmented-Reality-Anwendungen sind jedoch viel dynamischer und können deutlich stärker an den Bedürfnissen der Zielgruppe ausgerichtet werden. Gerade in diesem Zusammenhang wird das schablonenhafte Erstellen und Gestalten von Sicherheitsinformationen nach SAFE-Vorbild zunehmend an Bedeutung verlieren.

Unser Fazit lautet daher: Nutzen Sie die SAFE-Methode ruhig als Gedankenstütze, um stets alle wichtigen Elemente eines Warnhinweises präsent zu haben. Beachten Sie aber auch, dass diese Methode nicht vorgeschrieben ist und ihre Anwendung Sie nicht davor befreit, sich intensiv mit einem inhaltlich-didaktischen Konzept für Ihre Warnhinweise auseinanderzusetzen.

Steffen Vorderstemann
Autor:
Blog post Steffen Vorderstemann