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Gibt es die rechtssichere Technische Dokumentation?

Eine realistische Einschätzung aus dem Alltag eines Projektleiters.

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Gibt es die rechtssichere Technische Dokumentation?

 

Die Technische Dokumentation verfolgt grundsätzlich zwei Ziele: Auf der einen Seite gilt es, die Anwender:innen so zu informieren, dass sie ihre Aufgaben sicher und effizient erledigen können. Auf der anderen Seite möchten sich die Produkthersteller durch die Benutzerinformation absichern, um bei einem Fehlverhalten des Anwenders nicht auf Schadenersatz verklagt werden zu können. Ziel ist dann gerne die "rechtssichere" Technische Dokumentation.

 

Der rechtliche Rahmen von Technischer Dokumentation

Wirkliche Rechtssicherheit kann die Technische Dokumentation nicht leisten. Sie kann aber durch Einhaltung der Anforderungen aus Gesetzen, Richtlinien und technischen Normen dazu beitragen, das Risiko für den Hersteller deutlich zu mindern.

Eine zentrale Rolle spielen dabei die Europäischen Richtlinien zur Produktsicherheit, die innerhalb der EU von den einzelnen Staaten in nationales Recht umgesetzt werden müssen und auch außerhalb der EU häufig als Anhaltspunkt zur Regelung von Produktsicherheitsanforderungen dienen.

Wichtige Richtlinien in Bezug auf die Technische Dokumentation sind:

  • Maschinenrichtlinie 2006/42/EG
    (wird ab dem 20. Januar 2027 offiziell durch die neue EU-Maschinenverordnung ersetzt)
  • Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU
  • Druckgeräterichtlinie 2014/68/EU
  • Richtlinie für Geräte in explosionsgefährdeten Bereichen (ATEX) 2014/34/EU
  • Aufzugsrichtlinie 2014/33/EU
  • Medizinprodukterichtlinie 93/42/EWG

Diese Richtlinien enthalten zahlreiche Detailregelungen für die Benutzerinformation. Daneben werden diese Regelungen in den unter den Richtlinien harmonisierten Normen weiter ausgeführt und präzisiert.

Neben den produktspezifischen Typ-C-Normen, in denen zum Teil sehr konkrete Anforderungen an einzelne Produkttypen festgelegt sind, gibt es Normen, die übergreifend für die Technische Dokumentation Anwendung finden. Dies sind z. B.:

  • DIN EN 82079-1 Erstellen von Gebrauchsanleitungen – Gliederung, Inhalt und Darstellung
  • DIN EN ISO 12100 Sicherheit von Maschinen
  • ANSI Z535.6 Product Safety Information in Product Manuals, Instructions, and Other Collateral Materials (mit Relevanz für die USA)

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Das Thema Rechtssicherheit und die redaktionelle Praxis

In meiner täglichen Arbeit als Projektleiter habe ich die Aufgabe, den Wünschen des Kunden und den regulativen Anforderungen Rechnung zu tragen und die Redakteur:innen bestmöglich auf ihre Arbeit vorzubereiten. Denn diese müssen alle relevanten Anforderungen erfassen und umsetzen. Hierbei kann die Checkliste des Dokumentations-Checks helfen, der eigentlich dazu da ist, Benutzerinformationen unserer Kunden zu bewerten. Darin sind die grundlegenden Anforderungen an Benutzerinformationen nach Themen sortiert aufgelistet. Erfahrene Redakteur:innen werden die Anforderungen natürlich auswendig kennen.

Bei der konkreten Umsetzung helfen zahlreiche Vorlagen und Standards, die im Hause existieren. Da jedes Produkt anders ist, gilt es, auf Basis dieser Standards einen individuellen Standard für den Kunden bzw. das Produkt aufzubauen. Bei neuen Projekten ist es außerdem erforderlich, sich in die Produktnormen einzulesen und die teilweise sehr konkreten Anforderungen bei der Umsetzung in der Benutzerinformation zu berücksichtigen.

Die Risikobeurteilung, die entweder von den Konstruktionsabteilungen unserer Kunden oder von unserem CE-Team erstellt wird, hilft dabei, Sicherheitsaspekte nicht zu vernachlässigen. Denn die Risikobeurteilung liefert viele nützliche Informationen für die Benutzerinformation – neben den Restgefahren auch Hinweise über Wartungstätigkeiten, Prüfungen, Personalqualifikationen und vieles mehr.

All diese Zutaten führen am Ende dazu, dass die Redakteurin oder der Redakteur die Benutzerinformation mit gutem Gewissen abgeben kann – nicht unbedingt ein rechtssicheres Dokument, aber eines, das die relevanten Anforderungen aus Gesetzen, Richtlinien und Normen erfüllt und das das Haftungsrisiko für den Kunden mindert.

Doch viel wichtiger ist eigentlich, dass die Benutzerinformation den Anwender:innen dient. Und das ist die wirkliche Kür in unserem Job: "Wie bekomme ich Anwenderfokus und den Wunsch nach Rechtssicherheit, die auf den ersten Blick so unterschiedlich erscheinen, unter einen Hut?"

Hier gibt es kein allgemeingültiges Rezept – aber vielleicht ist das ja auch das Geheimnis wirklich guter Technischer Redakteur:innen.

Martin Kleingrothe
Autor:
Blog post Martin Kleingrothe