Es ist ein Meilenstein bei der Regulierung von Künstlicher Intelligenz: Die KI-Verordnung ist die erste umfassende Gesetzgebung der Europäischen Union, die speziell auf KI-Systeme ausgerichtet ist. Anbieter stehen nun vor der Aufgabe, ihre Systeme nicht nur sicher, sondern auch transparent und nachvollziehbar zu gestalten. Dabei ist die Technische Dokumentation ein unverzichtbares Werkzeug. Doch welche konkreten Anforderungen an die Dokumentation müssen erfüllt werden?
Die häufigsten Fragen haben wir gesammelt, sortiert und im folgenden Beitrag für Sie beantwortet.
Die KI-Verordnung, auch bekannt als AI Act, ist die erste umfassende Regulierung der Europäischen Union speziell für Künstliche Intelligenz. Ihr Ziel ist es, harmonisierte Regeln für die Entwicklung, das Inverkehrbringen und den Einsatz von KI-Systemen zu schaffen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass KI-Systeme menschenzentriert gestaltet sind und die demokratischen Werte der EU – wie der Schutz der Menschenwürde, die Gleichheit und der Datenschutz – respektiert werden. Gleichzeitig sollen durch die harmonisierten Vorschriften Innovationen und der grenzüberschreitende Handel mit KI-gestützten Produkten gefördert werden.
Die Verordnung ist am 1. August 2024 in Kraft getreten. Offiziell angewendet werden müssen die meisten Vorschriften ab dem 1. August 2026, wobei gestaffelte Übergangsfristen gelten:
Die KI-Verordnung richtet sich an alle Beteiligten, die in die Entwicklung, Vermarktung und Nutzung von KI-Systemen in der Europäischen Union involviert sind. Das betrifft insbesondere Akteure wie Anbieter, Betreiber, Importeure und Händler von KI-Systemen. Auch Unternehmen außerhalb der EU fallen unter die Regelungen, wenn sie KI-Systeme in der EU anbieten oder verwenden.
Ausnahmen: Die Regelungen der KI-Verordnung gelten nicht für KI-Systeme, die ausschließlich für militärische Zwecke entwickelt oder verwendet werden. Eine weitere Ausnahme sind Privatpersonen, die Künstliche Intelligenz im nicht-gewerblichen Kontext einsetzen.
Um festzulegen, was genau ein KI-System im Sinne der Verordnung ist, orientiert sich die EU an der offiziellen OECD-Definition. Konkret definiert die Verordnung ein KI-System wie folgt:
„ … ein maschinengestütztes System, das für einen in unterschiedlichem Grade autonomen Betrieb ausgelegt ist und das nach seiner Betriebsaufnahme anpassungsfähig sein kann und das aus den erhaltenen Eingaben für explizite oder implizite Ziele ableitet, wie Ausgaben wie etwa Vorhersagen, Inhalte, Empfehlungen oder Entscheidungen erstellt werden, die physische oder virtuelle Umgebungen beeinflussen können.“
Diese Definition ist so weit gefasst, dass alle gängigen KI-Systeme und generativen KI-Anwendungen wie ChatGPT und Co. unter die Verordnung fallen.
Die KI-Verordnung verfolgt einen risikobasierten Ansatz zur Regulierung von KI-Systemen. Dazu werden KI-Systeme in Risikoklassen unterteilt, basierend auf ihrem potenziellen Schaden für die Rechte und Freiheiten von Einzelpersonen sowie für die Gesellschaft. Je höher das Risiko eines KI-Systems, desto strenger sind die gesetzlichen Anforderungen und Auflagen.
Die KI-Verordnung unterscheidet vier Hauptkategorien von Risikoklassen:
GPAI-Modelle als Sonderfall
Sogenannte General-Purpose-AI-Modelle (GPAIs) bilden in der EU-KI-Verordnung eine eigene Risikoklasse, die besondere Anforderungen erfüllen muss. GPAIs sind KI-Modelle, die ein breites Aufgabenspektrum erfüllen können und oft in unterschiedliche Anwendungen integriert werden – wie z. B. ChatGPT oder Claude. Zu den Anforderungen gehören unter anderem die Erstellung einer Technischen Dokumentation, die Durchführung von Risikobewertungen und die Sicherstellung der Cybersicherheit.
Der Begriff der Technischen Dokumentation zieht sich wie ein roter Faden durch die KI-Verordnung. Sie nimmt insbesondere bei Hochrisiko-KI-Systemen und GPAIs eine Schlüsselrolle ein. Grundsätzlich dient die Dokumentation dazu, alle wesentlichen Informationen zu Entwicklung, Betrieb und Sicherheit des KI-Systems bereitzustellen. Konkret hilft eine vollständige und präzise Dokumentation dabei:
Im Kern gibt es für die Dokumentation zwei Adressatenkreise: zum einen Behörden mit dem Fokus auf der regulatorischen Kontrolle und zum anderen Betreiber sowie nachgelagerte Anbieter, die auf die sichere Nutzung der Systeme angewiesen sind.
Wesentliche Anforderungen an die Technische Dokumentation einer Hochrisiko-KI sind in Artikel 11 der KI-Verordnung definiert:
Die Anforderungen im Anhang IV
Im Anhang IV der KI-Verordnung werden die konkreten Inhalte definiert, die eine Technische Dokumentation von Hochrisiko-KI-Systemen enthalten muss. Diese lassen sich grob in die drei folgenden Hauptabschnitte unterteilen. Für eine detaillierte Analyse sollten die einzelnen Abschnitte der Verordnung herangezogen werden.
Die Dokumentation, die für den Betreiber des KI-Systems vorgesehen ist, wird in Artikel 13 präzisiert. Sie muss präzise, vollständig und klar verständlich sein und zudem sicherstellen, dass der Betreiber das System sicher und effektiv nutzen kann.
Wichtige Inhalte der Anleitung für Betreiber sind:
Bei KI-Systemen mit allgemeinem Verwendungszweck unterscheidet die KI-Verordnung zwischen Anforderungen für Behörden und Anforderungen für nachgelagerte Anbieter, die das System in ihre Produkte integrieren.
Grundsätzlich gilt:
In puncto Publikation gilt nach Artikel 13 der Verordnung: Die digitale Bereitstellung der Betriebsanleitung ist grundsätzlich erlaubt. Gerade im Softwarebereich dürfte das die sinnvollste Lösung sein, um den Nutzern einen flexiblen und einfachen Zugang zu ermöglichen. Ob neben dem klassischen PDF auch anderen Arten der Informationsbereitstellung infrage kommen, ist aber noch nicht bekannt. Hier gilt es, die weiteren Entwicklungen und Veröffentlichungen der EU-Kommission im Blick zu behalten.
Konkrete Informationen zur sprachlichen und gestalterischen Umsetzung der Technischen Dokumentation lassen sich aus der Verordnung leider nicht ableiten. Ob ein offizieller Leitfaden von EU-Seite dieses Thema später spezifiziert, ist derzeit noch offen. In der Zwischenzeit können KI-Anbieter auf bewährte Standards wie z. B. die Norm DIN EN 82079-1 zurückgreifen. Diese Norm definiert allgemeine Anforderungen für die Erstellung klarer, strukturierter und verständlicher Nutzerinformationen und bietet auch eine gute Grundlage für die Dokumentation von KI-Systemen.
Vereinfachtes Vorgehen für KMU und Start-ups geplant
Für KMU und Start-up-Unternehmen ist es zulässig, die Technische Dokumentation eines Hochrisiko-KI-Systems in vereinfachter Form bereitzustellen. Das geschieht über ein spezielles Formular, das von der EU-Kommission zur Verfügung gestellt und von notifizierten Stellen zum Zwecke der Konformitätsbewertung akzeptiert wird. Zur genauen Ausgestaltung des Formulars sowie zur Veröffentlichung existieren allerdings noch keine weiteren Informationen.
Die Überwachung erfolgt durch das sogenannte AI Office der Europäischen Unionsowie durch nationale Aufsichtsbehörden in den jeweiligen Mitgliedsländern. In Deutschland wird vermutlich die Bundesnetzagentur (BNetzA) die Rolle der nationalen KI-Aufsichtsbehörde übernehmen.