Ein kleiner Ausflug in die Terminologie – Part III

Pleonasmen: von bunten Farben und subjektiven Meinungen.

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Ein kleiner Ausflug in die Terminologie – Part III

 

Fachkompetenz demonstrieren, Eigeninitiative zeigen, im augenblicklichen Moment leben oder auf die natürlichen Instinkte vertrauen: In unserem Vokabular tauchen immer wieder „doppelt gemoppelte“ Zusammensetzungen auf.

 

SERVICEDIENSTLEISTUNG, die; Subst. f.

Mittlerweile wird kaum noch jemand ein Lexikon im Regal stehen haben oder wenn, dann wahrscheinlich ein hoffnungslos veraltetes. Darf ich als Lektorin eingestehen, dass mein Brockhaus über zwanzig Jahre alt ist und ich keinen Duden mehr besitze? Unsere Nachschlagewerke beginnen heute in aller Regel mit "https://www", abgesehen von dem Wörterbuch, das in unseren Köpfen existiert: dem mentalen Lexikon. So bezeichnet man die Ablagestruktur von Sprache in unseren Köpfen, in der Wörter mit ihrem Aussehen, ihrer Lautung, ihrer Bedeutung und ihren grammatischen Eigenschaften gespeichert sind. Daneben sind in diesem mentalen Lexikon auch Verknüpfungen zu anderen Wörtern abgelegt: So wissen wir direkt beim ersten Lesen, dass "Fahrstuhl" und "Aufzug" Synonyme sind, "Brombeere" und "Cranberry" beides irgendwie Beeren sind und die Buchstabenfolge "Lkw" für Lastkraftwagen steht.

Wir rufen dieses Informationspaket ab: Wir suchen uns ein Wort aus unserem mentalen Lexikon heraus, das wiedergibt, was wir ausdrücken wollen, und sprechen es mit der hinterlegten Lautung in der angebrachten grammatischen Form aus. Das Wörterbuch ist allerdings nicht alphabetisch, sondern nach Frequenz priorisiert: Wörter, die wir häufig benutzen, können wir schneller abrufen als solche, die selten gebraucht werden. Wenn wir ein Wort, das wir eigentlich kennen, nur langsam oder gar nicht abrufen können ("es liegt mir auf der Zunge"), ist das Wort im mentalen Lexikon nicht richtig eingebunden, manchmal grundsätzlich, manchmal nur in genau diesem einen Moment. Die Querverweise führen quasi ins Leere. Diese Verknüpfungen sind besonders bei Fremdwörtern oder Fachtermen oft nur schwach ausgeprägt – hier müssen wir länger überlegen.

Und so kommt es zu Bildungen wie "Cuttermesser". Wer im Kindergarten Fensterbilder ausschneidet, weiß meist noch nicht, dass "Cutter" als Synonym zu "Messer" verwendet werden kann. "Cutter" steht lautlich und rechtschreiblich irgendwo allein im mentalen Lexikon, inhaltlich sortiert es sich aber natürlich zu anderen scharfen Dingen, die schneiden: So liegt es nahe, dass Sprecher:innen schnell ein "Cuttermesser" daraus machen, um die Verknüpfung zu verstärken und für sich selbst und andere deutlicher zu machen, was gemeint ist. Den Erwachsenen in der Technischen Dokumentation laufen Wortbildungen und Phrasen wie "kollaborative Zusammenarbeit", "Zukunftsprognosen" oder "Servicedienstleistungen" über den Weg – alles Bildungen, bei denen mindestens ein Bestandteil überflüssig ist, die aber offensichtlich im Kopf nicht als synonym zueinander abgelegt worden sind. Merke: Nicht nur rechtschreiblich lohnt sich ein zweiter Blick auf das, was man schreibt.

Nathalie Exo
Autor:
Blog post Nathalie Exo