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MDR – Neue EU-Medizinprodukte-Verordnung

Jetzt die Weichen für die Zukunft stellen.

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MDR – Neue EU-Medizinprodukte-Verordnung

Mit der Verordnung (EU) 2020/561 vom 23.04.2020 wurde die Übergangsfrist für die Neuzulassung von Medizinprodukten nach den Richtlinien 93/42/EG und 93/385/EWG um ein Jahr verlängert. Nach dieser Übergangsfrist dürfen derlei Produkte nur noch konform mit der neuen Medizinprodukteverordnung EU 2017/745 (MDR) zugelassen werden. An die Stelle der 98/79/EG für InVitro-Diagnostika wird analog die EU-Verordnung 2017/746 (IVDR) treten. Hier haben Hersteller für die Implementierung des neuen Konformitätsbewertungsverfahrens noch 2 Jahre länger Zeit und die entsprechenden Fristen wurden bisher nicht angepasst.

Von den Friständerungen unberührt bleibt jeweils der Zeitraum, in dem Produkte, die nach den "alten" Richtlinien zugelassen wurden, noch auf dem Markt bereitgestellt werden dürfen. Der Zeitraum der möglichen Bereitstellung auf dem Markt kann sich so faktisch verkürzen.

Experten sind sich durchweg einig, dass die neuen Verordnungen in signifikant gesteigerten Arbeitsaufwänden für die Hersteller resultieren werden. Dementsprechend erscheint es uns zukunftsträchtig, die Weichen schon jetzt langsam in Richtung Konformität mit der neuen Medizinprodukteverordnung zu stellen, denn die Übergangsfrist endet für Medizinprodukte am 26.05.2020 (für In-vitro-Diagnostika am 26.05.2022).

Kann man die Neuerungen kurz skizzieren?

Leider nein. Es ist, wie so häufig, komplex. Wir arbeiten beispielsweise intern an einer Entsprechungstabelle von alter Richtlinie zu neuer Verordnung, aber genauso gut könnte man mit einer neuen Matrix ins Rennen gehen: Denn die Zahl der zu beachtenden Artikel hat sich z. B. in der neuen MDR von vormals 23 auf nunmehr 123 mehr als verfünffacht.

Zusammenfassend lässt sich jedoch klar festhalten, dass aufgrund der gestiegenen Zahl der zu beachtenden Artikel sowie der gestiegenen Komplexität bereits vorhandener Artikel die damit einhergehenden Verfahren ebenfalls deutlich umfangreicher geworden sind. Betroffen sind folglich auch dokumentationsnahe Prozessschritte auf dem Weg zum zertifizierten Medizinprodukt:

  • Analyse und Interpretation des Regelwerks
  • Überführung der Anforderungen ins Anforderungsmanagement
  • Konformitätsbewertungsverfahren (intern)
  • Erstellung und kontinuierliche Aktualisierung der Technischen Dokumentation (einschließlich Gebrauchsanweisung)
  • Auditierung des Konformitätsbewertungsverfahrens sowie der erforderlichen Dokumentation

Was heißt das letztlich für die Gebrauchsanweisung?

Hier hat sich rein statistisch ebenfalls schon viel getan: Gingen die Forderungen, die sich explizit auf Gebrauchsanweisungen bezogen, in der 93/42/EG noch von „a)“ bis „q)“, so reichen diese in der neuen Verordnung mittlerweile von „a)“ bis „ab)“. Aber auch hier ist neben der numerischen Zunahme gleichermaßen ein Zuwachs in Sachen Komplexität zu verzeichnen. Dies möchten wir im Rahmen dieses Blogs lediglich anhand eines einzelnen, wenn auch durchaus repräsentativen Beispiels beleuchten:

Forderte die alte Medizinprodukterichtlinie zum Thema "Entsorgung" in Gebrauchsanweisungen lediglich, "Vorsichtsmaßnahmen für den Fall“ anzugeben, "dass ein Produkt im Hinblick auf seine Entsorgung eine besondere oder ungewöhnliche Gefahr darstellt", so mutet die aktuelle Forderung bereits auf den ersten Blick komplexer an:

"Warnungen oder Vorsichtshinweise, die im Hinblick auf eine sichere Entsorgung des Produkts, seines Zubehörs und der gegebenenfalls verwendeten Verbrauchsmaterialien zu berücksichtigen sind. Diese Informationen decken gegebenenfalls folgende Bereiche ab:

  • Infektionen oder mikrobiologische Gefahren wie z. B. Explantate, Nadeln oder chirurgische Geräte, die mit potenziell infektiösen Stoffen menschlichen Ursprungs kontaminiert wurden
  • physikalische Gefahren wie z. B. durch scharfe Kanten. Ist gemäß Abschnitt 23.1 Buchstabe d keine Gebrauchsanweisung erforderlich, werden diese Angaben dem Anwender auf Anfrage zugänglich gemacht"

Interessant ist in diesem Zusammenhang außerdem, dass die Ersteller der neuen Medizinprodukteverordnung einmal mehr hochsensibel Wert auf optimierte Usability legen: "Insbesondere ist die Gebrauchsanweisung so zu verfassen, dass sie von dem vorgesehenen Anwender ohne Schwierigkeiten verstanden wird, und gegebenenfalls mit Zeichnungen und Schaubildern zu ergänzen." (für unsere Begriffe deutlich insistierender als Ersteller vergleichbarer Regelwerke anderer Branchen). Hierzu passt, dass mit der neuen 82079-1:2019 gerade ein weiterer Standard erschienen ist, der Usability nicht nur groß schreibt, sondern ebenfalls getestet und gelebt wissen will.

Wenn Sie als Medizinproduktehersteller also ohnehin gerade darüber nachdenken, Ihre Dokumentationsprozesse und Gebrauchsanweisungskonzepte zu novellieren, könnte der Zeitpunkt kaum besser gewählt sein.

 

Carsten Sieber
Autor:
Blog post Carsten Sieber