Im Zeitalter von Topics, userzentrierter Information, Metadaten, Industrie 4.0, digitalem Zwilling und anderen bedeutungsschweren Stichworten wirkt "PDF" oder "Dokumentation" schon fast wie ein Überbleibsel aus der Zeit kurz nach dem Aussterben der Dinosaurier. Aber anders als die Dinosaurier ist die Dokumentation im Sinne von "Dokument" nicht ausgestorben, sondern teilt sich ein Dasein mit den oben aufgeführten Erscheinungen der Neuzeit.
Um die Dokumentation dennoch sanft in den digitalisierten Alltag zu überführen, hat sich der VDI und im Speziellen die Prozessautomatisierung der Entwicklung des VDI 2770 verschrieben.
Doch was genau steckt hinter diesem Standard und welches Ziel verfolgt er?
Und stimmt die verwendete Präposition im Blogtitel überhaupt? "Versus" bedeutet "im Gegensatz zu" – aber sind diese beiden Standards wirklich so gegensätzlich?
„Betrieb verfahrenstechnischer Anlagen – Mindestanforderungen an digitale Herstellerinformationen für die Prozessindustrie – Grundlagen": So lautet derzeit der vollständige Titel des Standards.
Was genau bringt der VDI mit "digitalen Herstellerinformationen" in Verbindung? In erster Linie Folgendes:
Und auch hier fällt die Wortwahl auf: "Dokumente", "Dokumentation", "Dokument". Der Fokus des VDI 2770 liegt augenscheinlich auf Dokumenten und "klassischer" Dokumentation.
Um Dokumente einheitlich zu klassifizieren, gibt der VDI 2770 ein Schema vor. Unterschieden wird zwischen "Gruppen" und "Kategorien", wobei Kategorien unterschiedlichen Gruppen zugeordnet werden. Zu den Gruppen zählen:
Vertreter von Kategorien sind beispielsweise:
Handelt es sich bei dem Dokument beispielsweise um eine Stückliste, würde sie in der Gruppe "Technische Beschaffenheit" mit der hierin enthaltenen Kategorie "Bauteile" ausgezeichnet werden.
Eine Gebrauchsanleitung würde den Eintrag "Bedienung" in der übergeordneten Gruppe "Tätigkeitsbezogene Dokumente" für sich beanspruchen.
Den ersten Schritt zur Anwendung des VDI 2770 hat man schnell erledigt: Das Dokument (Beispiel: Betriebsanleitung Förderschnecke) muss als PDF in der Spezifikation A (PDF/A → Format zur Langzeitarchivierung) vorliegen. Weitere Unterscheidungen von "A" werden ebenfalls im Standard vorgenommen.
Zusätzlich zum Dokument (wir bleiben beim Beispiel der Betriebsanleitung Förderschnecke) muss eine XML-Datei erstellt werden, in der die Metadaten des Dokuments erfasst sind.
Einen Satz für die dokumentbezogenen Metadaten gibt der VDI 2770 ebenfalls vor. Beispiele hierfür sind:
Welche Metadaten sich eignen, ist für diesen Standard nicht neu erdacht worden, sondern basiert (d. h., ist abgeändert oder reduziert worden) auf dem Informationsmodell der Norm DIN EN 82045-2.
Hat der Dokumentationsarchitekt alles zusammengetragen (PDF des Dokuments, Metadaten-Datei), so packt er beides in einer Datei zusammen und nennt das Erzeugte "Dokumentcontainer".
Für eine Kaffeemaschine oder einen Ventilator mag das reichen – nicht aber für eine Anlage, mit der der VDI normalerweise zu tun hat: Also packt der Dokumentationsarchitekt nicht nur einen, sondern so viele Dokumentcontainer, wie zum Dokumentationsumfang der Anlage erforderlich sind. Hier kann eine beträchtliche Anzahl zustande kommen. Um dann nicht den Überblick zu verlieren, werden alle "kleinen" Dokumentcontainer wiederum in einen "großen" Container gepackt, der die Bezeichnung "Dokumentationscontainer" erhält.
Apropos Überblick: An dieser Stelle könnte man schon den Überblick über die im "großen" Container enthaltenen "kleinen" Container samt deren Inhalt verlieren. Aus diesem Grund packt man in den großen Container zusätzlich:
In der Metadaten-Datei der "Stückliste" wird jede in den Dokumentcontainern enthaltene Metadaten-Datei anhand der dort enthaltenen, eindeutigen Dokument-ID referenziert.
Nein, im Gegenteil. Würden beispielsweise mehrere Hersteller ihre Dokumentcontainer packen, so müssten sie diese "nur noch" in den Dokumentationscontainer verfrachten und die "Stückliste" um ihren Lieferumfang erweitern. Der Kunde erhält somit einen – von allen Zulieferern – gepackten Container geliefert.
Und was gibt es nun zum iiRDS zu sagen? Eine ganze Menge. Daher gibt es hier einen eigenen Blogeintrag zu diesem Standard. In aller Kürze: Auch der iiRDS gibt Metadaten vor, unterstützt mit Strukturierungsvorlagen und kann zur Lieferung verwendet werden.
Der Hauptunterschied zwischen iiRDS und VDI 2770 liegt aber darin, dass sich der iiRDS in erster Linie um die Strukturierung und die Bemetadatung von Informationseinheiten ("Topics") bemüht. Mit einer gewissen Intelligenz ausgestattet können nach iiRDS gestaltete Informationen zum Beispiel in unterschiedlichen Content-Delivery-Portalen importiert und angezeigt werden.
Zusammenfassend kann gesagt werden: Beide Standards haben ihre Bereiche, die sie abdecken. Beide Standards überschneiden sich aber auch, was zu analysieren einer fundierten Beratung bedarf.
Zurück zur Frage, ob wir es hier wirklich mit gegensätzlichen Standards zu tun haben. Ich meine, man kann beiden Ansätzen keine Abneigung gegeneinander attestieren. Eine treffendere Überschrift wäre deshalb: "Mit VDI 2770 und iiRDS auf dem Weg zur intelligenten Information".