Eine Situation, die jeder kennt, und zwar nicht nur aus der Technischen Dokumentation: Man liest einen Text, z. B. eine Bedienungsanleitung, und stolpert über einen Buchstabendreher. Vielleicht sogar in der Überschrift, so wie in diesem Blog. Solche Fehler sind menschlich und sicher jedem schon einmal passiert; sie bleiben dennoch peinlich. Getreu dem Motto „Einmal ist keinmal“ liest man über einen oder auch einige wenige Fehler großzügig hinweg. Wenn sich die Fehler jedoch häufen, lenken sie schnell vom Inhalt ab. Schlimmstenfalls gibt man auf und legt den Text ganz beiseite. Das ist insbesondere dann bedenklich, wenn der Text, in unserem Fall die Anleitung, wichtige Informationen enthält, die der Leser zu seiner eigenen Sicherheit und für die optimale Nutzung des Produkts beachten sollte.
Software kann das Lektorat unterstützen, aber nicht ersetzen
Damit der Lesefluss nicht durch Fehler behindert wird, gehört zu einer umfassenden Qualitätssicherung immer auch eine Prüfung auf sprachliche Korrektheit. Dafür gibt es doch die automatische Rechtschreibprüfung, sagen Sie? Nun, wir kennen alle die ungewollt komischen Beispiele für merkwürdige, unsinnige oder sogar falsche „Korrektur“-Vorschläge, die die kostenfrei verfügbaren automatischen Rechtschreib- und Grammatikprüfungen der bekannten Office-Programme machen. Auch sehr leistungsstarke (kostenpflichtige) Prüfprogramme können weder alle Fehlerkategorien zuverlässig prüfen noch jeden gefundenen Fehler im Sinne des Autors bewerten. Es bleibt dabei: Auch bei guten Ergebnissen durch toolgestützte Prüfungen ist der zuverlässigste Prüfer immer noch der Mensch, nämlich der erfahrene Lektor.
Öfter mal die Perspektive ändern
Im Gegensatz zur Software setzt sich ein Lektor bei der Korrektur verschiedene Brillen auf. Mit Blick nicht nur, aber vor allem auf die Technische Dokumentation sieht er durch diese Brillen zum Beispiel Fehler aus folgenden Bereichen:
- Was den meisten sicher als Erstes einfällt: Rechtschreibung, Grammatik, Zeichensetzung. Die Eliminierung solcher Fehler ist das klassische Korrektorat, das (vielleicht nicht immer schöne) Erinnerungen an die Schulzeit und rote Markierungen im Aufsatzheft aufkommen lässt. In den Regelwerken für diese elementaren Disziplinen absolut sattelfest zu sein, ist eine Grundvoraussetzung für die Arbeit als Lektor.
- Was auch noch zu den sprachlichen Fehlerquellen im engeren Sinne gehört: Satzbau, Ausdruck und Stil. Diese Bereiche sind schon etwas komplexer, denn hier ist zunehmend Sprachgefühl und Stilsicherheit gefragt – nichts, was ein amtliches Regelwerk festhalten könnte.
Stilistische Anforderungen unterscheiden sich auch je nach Textsorte. In Technischen Dokumentationen ist eine wichtige Stilvorgabe z. B. die einheitliche Formulierung der verschiedenen Funktionseinheiten, etwa Handlungsanweisungen. Solche Vorgaben werden typischerweise in einem Redaktionsleitfaden festgehalten. Der Lektor muss diesen Leitfaden im Detail kennen und darüber hinaus die Kompetenz besitzen, auch dann eine fundierte Entscheidung zu fällen, wenn der Redaktionsleitfaden zu der vorliegenden Fragestellung keine Aussage trifft.
- Ein Lektorat überschneidet sich immer auch mit der Prüfung auf sachliche Richtigkeit: Ist ausreichend präzise formuliert worden? Gibt es textliche Redundanzen oder gar Widersprüche? Besitzt der Text eine durchdachte Struktur, die die Informationsaufnahme unterstützt?
Oft hat ein Lektor zu wenig Fachwissen, als dass er den zu prüfenden Text selbst hätte verfassen können. Er verfügt aber über ausreichend Textkompetenz, um inhaltliche Mängel wie unklare Formulierungen, für das Verständnis nötige, aber fehlende Informationen usw. identifizieren zu können. Als einer der ersten Leser kann der Lektor konstruktive Kritik üben und dem Autor gezielt Hinweise für die Überarbeitung geben.
- Wie wichtig eine klare und konsistente Terminologie in Technischen Dokumentationen ist, war in unserem Blog schon mehrfach Thema. Damit sich trotz toolgestütztem Terminologiemanagement keine Fehler einschleichen, kontrolliert der Lektor auch, ob die richtige Benennung für das richtige Teil an der richtigen Stelle verwendet wird.
- Dass Funktionsdesign® die Textaufnahme und -verarbeitung unterstützt, steht außer Frage. Klar ist aber auch, dass bei der Zuweisung von Formaten zu Funktionseinheiten Fehler passieren können. Das Ergebnis: Anstatt dem Nutzer die Aufnahme von Informationen zu erleichtern, nimmt er sie vielleicht gar nicht auf, weil er mit dem falsch zugewiesenen Format eine andere Informationsart zu verbinden gelernt hat, auf die er gerade bewusst nicht achtet. Das geschieht umso eher bei Texten, die als Referenz dienen und oft nur auszugsweise gelesen werden – beispielsweise Anleitungen. Im Lektorat wird deshalb auch kontrolliert, ob die eingeführten Formate konsequent richtig eingesetzt werden.
- Was vielen möglicherweise nicht gleich bewusst ist: Ein Lektor hat nicht nur den Text im Blick. Gerade in anleitenden Texten werden häufig Abbildungen zur Unterstützung des Texts genutzt. Hier prüft ein Lektor den Text-Bild-Bezug: Wird auf die richtige Abbildung verwiesen? Stimmen die Positionsnummern und Bildlegenden? Sind die Bildunterschriften treffend formuliert?
Vielleicht sind Sie nach dieser Aufzählung überrascht, wie vielseitig die Aufgaben im Lektorat sind. Das hat seinen Ursprung nicht zuletzt in den zahlreichen formalen Vorgaben, die Technische Dokumentationen erfüllen müssen. Je mehr Regeln zu beachten sind, desto höher das Fehlerrisiko – wobei man besser von „Verstößen“ als von „Fehlern“ sprechen sollte. Denn was in anderen Textsorten durchaus erwünscht sein kann (beispielsweise die Variation in der Formulierung), soll in sogenannten „kontrollierten Texten“ wie einer Anleitung ausdrücklich nicht vorkommen.
Menschliche und elektronische Leistung clever kombinieren
Diese Perspektiven nimmt ein routinierter Lektor natürlich nicht nacheinander ein. Denselben Text mehrere Male durch eine jeweils andere Brille kritisch zu betrachten, wäre höchst unwirtschaftlich. Es ist auch aus zwei Gründen nicht nötig: Zum einen werden in professionellen Redaktionen nicht nur bei der Prüfung, sondern schon bei der Texterstellung die Möglichkeiten genutzt, die Spezialsoftwares wie Redaktionssysteme und Terminologietools bieten. So lässt sich die Fehlerhäufigkeit schon deutlich reduzieren. Zum anderen spielt im Lektorat die Erfahrung eine große Rolle, gerade beim Faktor Zeit. Um bei der Schlussprüfung in möglichst wenigen Durchgängen alle noch verbliebenen Fehler zu erkennen, ist eine große Vertrautheit mit dem Layout und den verwendeten Formaten und Grafikstilen vonnöten – die sichere Kenntnis aller anwendbaren Regelwerke einschließlich Redaktionsleitfaden natürlich vorausgesetzt. Ein routinierter Lektor kann so in einer Lesung Fehler aus mehreren Kategorien zugleich erkennen.
Ein praktisches Beispiel
Wie ein lektorierter Text aussieht, zeigen wir beispielhaft an der Betriebsanleitung zum smarty, dem kothes Pumpenaggregat KS5000, in unserem smart space (Log-in erforderlich). Zweifellos: Die in diesem kurzen Auszug beschriebenen Prozeduren wären durchaus auch ohne einen Teil der Korrekturen nachvollziehbar. Das Ziel sollte aber sein, eine rasche Aufnahme der Information zu ermöglichen, ohne dass es zu Missverständnissen und irritiertem Vor- und Zurückblättern kommt, weil man sich vergewissern muss, ob die eigene Interpretation stimmt. Ein so optimierter Text lässt auch im anschließenden Übersetzungsprozess keine Fragen offen.
Übrigens ist die handschriftliche Korrektur nur eine von mehreren Vorgehensweisen. Abhängig vom Editor, in dem der Text erstellt wurde, gibt es meist auch die Möglichkeit, Korrekturen in elektronischer Form anzubringen.
Von einem Lektorat profitiert jeder Text, sei es eine Technische Dokumentation, ein Bericht, ein Fachartikel … Für die bei uns erstellten Dokumente ist ein Lektorat fester Bestandteil der Qualitätsprüfung. Wir bieten unseren Lektoratsservice aber auch als eigenständige Leistung an, die Sie für selbst erstellte Texte in Anspruch nehmen können. Wenn Sie den Verdacht haben, dass sich der Fehlerteufel eingeschlichen hat, sprechen Sie uns an!