Bei einem Usability-Test mit einer textlosen Montageanleitung passierte etwas Eigenartiges: Ein Proband, der beim Durchspielen der Anleitung an einer bestimmten Bildsequenz nicht weiterkam, unterhielt sich nach dem Usability-Test mit den anderen Probanden darüber. Im Gespräch klärte sich für ihn die Bedeutung der Bildsequenz, und ich fragte, ob er die Anleitung denn für gebrauchstauglich halte. „Die Anleitung funktioniert prima, lässt sich alles gut nachvollziehen“, war seine Antwort. Er selbst konnte sich also schon nicht mehr in seine ursprüngliche Situation hineinversetzen.
Wie können wir es schaffen, uns in einen Nutzer hineinzuversetzen und eine nicht nur brauchbare, sondern möglichst zuverlässige textlose Anleitung zu entwickeln? Statt einfach loszulegen oder uns durch ähnliche Anleitungen inspirieren zu lassen, sollten wir den größten Teil unserer Energie in die Konzeptionsphase stecken.
Am Anfang steht die Analyse all der Informationen, die wir dem Nutzer zur Verfügung stellen müssen, sowie die Identifizierung der verschiedenen Informationsarten wie Beschreibungen, Voraussetzungen, Ursachen und Wirkungen bis hin zu Abhängigkeiten und Verzweigungen. In dieser Phase merken wir bereits früh, wo es für eine bildliche Darstellung zu kompliziert werden könnte: Müssen mehrere Varianten wirklich in einer Bildanleitung zusammengefasst werden oder macht das die Anleitung letztendlich unbrauchbar? In dem zu Anfang genannten Beispiel war genau das passiert: Die einzelnen Bilder funktionierten zwar, aber die Navigation durch alternative Handlungsstränge wurde nicht erkannt.
Vielleicht merken wir in der Konzeptionsphase aber auch, dass das Informationsgeflecht so komplex ist, dass es in einer statischen Bildanleitung nicht darstellbar ist. Hier können ergänzende Texte die Verständlichkeit erhöhen, müssen allerdings übersetzt werden – ein Aufwand, den man bei textlosen Anleitungen gerade vermeiden möchte. Eine weitere Möglichkeit ist der Schritt in andere Medien, die den Nutzer situationsbezogen instruieren sowie dessen Feedback einholen können. Bei der Beseitigung von Störungen an Druckersystemen kennen wir das schon lange.
Wenn das Konzept für die Machbarkeit der textlosen Anleitung spricht, greifen wir auf anerkannte Darstellungskonventionen zurück und berücksichtigen die grundsätzlichen Regeln menschlicher Bildverarbeitungsprozesse. Dabei ist weniger mehr, denn Überfrachtung und ästhetische Gesichtspunkte stehen der Eindeutigkeit einer Bildaussage oft im Wege. Auch bei der Darstellung von Alternativen und Gegensätzen ist der Wunsch nach Einheitlichkeit eher hinderlich als nützlich. CI-Vorgaben können ebenfalls die Verständlichkeit von Bildanleitungen schmälern, wenn z. B. Farben oder Gestaltungselemente vorgeschrieben sind.
Hier nochmal kurz zusammengefasst, wie es mit der Anleitung ohne Text klappen kann:
Am Ende muss eine Bildanleitung stehen, die den aufwändigen Erstellungsprozess nicht erkennen lässt, denn die Kunst besteht ja eben darin, die dahinterstehende Komplexität vom Nutzer fernzuhalten.