Simone: Martin, Du bist unser Experte für die USA: Seit wann beschäftigst Du Dich mit dem Thema?
Martin: Eigentlich seitdem ich hier bin, also seit 10 Jahren.
Simone: Schafft man es auch mit weniger Erfahrung, eine Anleitung zu schreiben, die den amerikanischen Anforderungen genügt, oder lande ich als Unternehmer relativ sicher vor Gericht?
Martin: Das schafft man.
Simone: Sicher? Denn wenn Du jetzt Nein sagst, dann könnten wir vermutlich unseren Kundenstamm erweitern.
Martin: (lacht) Also, den Teil wollen wir aber nicht veröffentlichen, oder?
Simone: Doch.
Martin: Ok …Ich bleibe dabei, das ist in jedem Fall zu schaffen. Vielleicht braucht der ein oder andere etwas Unterstützung …
Simone: Schon besser.
Martin: … denn die Anforderungen an amerikanische Anleitungen unterscheiden sich schon von denen an deutsche oder europäische. Allerdings lassen sich diese Anforderungen mit entsprechender Kenntnis auch gut umsetzen.
Simone: Das heißt also, man muss anscheinend schon auf einige wichtige Dinge achten. Welche Gesetze oder Vorschriften sind das denn?
Martin: Gesetze eher weniger. Das amerikanische Rechtssystem beruht im Wesentlichen auf dem Fallrecht, also richterlichen Entscheidungen in Präzedenzfällen, und nicht auf Gesetzen. Dadurch ist es auch nicht möglich, Gesetze zu Technischer Dokumentation heranzuziehen und bei deren Einhaltung davon auszugehen, man sei als Unternehmer sicher unterwegs.
Simone: Aber?
Martin: Es gibt z. B. Standards, die auf Gerichtsurteilen beruhen und deren Einhaltung wir daher für sehr wichtig erachten. Die ANSI-Z535-Reihe ist so ein Standard. Wenn man diesen richtig anwendet, kommt man der Sicherheit schon mal etwas näher.
Simone: „Richtig anwendet“ – das klingt so, als wäre das nicht immer so einfach.
Martin: Naja gut, jeder, der schon einmal Normen oder auch Richtlinien gelesen hat, weiß, dass sie oftmals Interpretationsspielraum lassen, wo man ihn lieber nicht hätte. Auch die ANSI-Reihe hat uns da schon einige Grübeleien gekostet. Am Ende geht es aber auch hier wieder darum, sich in den Anwender hineinzuversetzen und zu überlegen, was für ihn in seiner Situation am besten geeignet ist. Denn vor Gericht heißt es dann doch immer wieder: die gegnerische Seite hätte den Hinweis befolgt, wenn er denn enthalten und in adäquater Form gegeben worden wäre.
Simone: In adäquater Form?
Martin: (grinst) Ja, adäquat. Wie man Sicherheitshinweise adäquat macht, steht beispielsweise auch wieder in der ANSI.
Simone: Wie steht es denn um das Gerücht, dass man sich eine Zielgruppenanalyse sparen kann, weil man bei Anleitungen für den US-Markt immer vom "DAU", dem vielzitierten "dümmsten anzunehmenden User", ausgehen soll?
Martin: Das ist leider nicht korrekt, die Zielgruppenanalyse ist unerlässlich. Ein wichtiger Punkt ist, genau wie in Deutschland oder Europa, dass man sehr genau darauf achten muss, keine Informationsflut zu erzeugen, die den Leser einschläfert und vom wichtigen Inhalt ablenkt. Das klappt nur, wenn man nicht anfängt, Ingenieuren jede Schraube zu erklären, was bei ungelernten Hilfskräften aber vielleicht wirklich notwendig ist.
Dasselbe gilt übrigens auch für Sicherheits- und Warnhinweise: bei einer Flut an roten und gelben Kästen spricht man von „Warning Pollution“. Die kann dazu führen, dass der Leser die Hinweise nicht mehr in ausreichender Weise wahrnimmt.
Simone: Hast Du einen Tipp, wie man das richtige Maß finden kann?
Martin: Eigentlich nur mit gesundem Menschenverstand, mit Erfahrung und es kann nicht schaden, sich die Anleitungen von Wettbewerbern auf dem amerikanischen Markt anzusehen. Aber bloß nicht einfach abkupfern, da können auch ganz schlechte dabei sein. Die machen ja auch nicht alles richtig.
Simone: Kann man dann nicht einfach die bewährten deutschen Anleitungen nehmen, übersetzen lassen und die Sicherheitshinweise nach ANSI anpassen?
Martin: Das ist die Standardfrage und manche versuchen das natürlich, aber das Ergebnis ist nicht gut, weil es dann an anderen Stellen hapert. Es geht vielmehr um Lokalisierung. Beispielsweise braucht es die Supplemental Directives, die in den USA einen hohen Stellenwert haben und zu Beginn der Anleitung platziert sein sollen. Es braucht eine Umrechnung der technischen Daten in das angloamerikanische Einheitensystem, andere Piktogramme, bestenfalls sogar US-Letter als Format und noch einiges mehr.
Was darüber hinaus wichtig, aber auch immer schwierig ist: Potenziell haben jeder Bundesstaat und jede Zertifizierungsgesellschaft, mit der man zusammenarbeitet, eigene Regelwerke und Vorstellungen, was alles in die Anleitung gehört und wie sie auszusehen hat.
Simone: Moment, welche Regelwerke denn, sagtest Du nicht zu Beginn, das wäre in jedem Fall schaffbar und so viel sei gar nicht zu beachten?
Martin: Dass nicht viel zu beachten ist, habe ich nicht gesagt. Allerdings sind andere Dinge zu beachten und eine Recherche der relevanten Regelwerke gehört ja zur täglichen Arbeit des Technischen Redakteurs.
Simone: (ungläubig) Recherche der Regelwerke, die irgendwo in Kalifornien gelten? Also ich weiß nicht, das erscheint mir doch recht anspruchsvoll zu sein. Mir wäre wohler, wenn sich unsichere Unternehmer doch lieber an uns wenden. Du nicht auch, Martin?
Martin: (wiegt lächelnd den Kopf)
Simone: Oder?
Martin: Sagen wir mal so, ich stehe als Ansprechpartner bei Fragen bereit. Und jeder, der noch nie eine US-Anleitung geschrieben hat und es hauptsächlich alleine machen will, dem können wir und unsere Partner in den USA auch einfach unterstützend zur Seite stehen. Wer keine Zeit hat, sich in die Anforderungen einzuarbeiten, oder lieber auf Basis unserer Erfahrung das Risiko möglichst kleinhalten möchte, für den schreiben wir natürlich auch gerne die ganze Anleitung.
Simone: Ich denke, das ist ein Resümee, mit dem wir alle gut leben können. Vielen Dank für das Gespräch, Martin.